Im Jahr 2025 stehen einige fundamentale Neuerungen hinsichtlich des Einsatzes bildgebender Verfahren in der präventiven Diagnostik an, bedingt durch die Weiterentwicklungen der letzten fünf Jahre hinsichtlich Fachpolitik, Gerätetechnik und Evidenz. Hier sind vorrangig zum einen die Erkennung der koronaren Herzkrankheit im Bereich der geringen bis mittleren Vortestwahrscheinlichkeit und zum anderen die Früherkennung des Lungenkrebses bei langjährigen Rauchern zu nennen. Herr Prof. Dr. med. Stefan Schönberg, Direktor der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin der Universitätsmedizin Mannheim im Gespräch mit Frau Privatdozentin Dr. med. Isabelle Ayx, Fachärztin für Radiologie und wissenschaftliche Leiterin (Bereich Radiologie) des Zentrums für Kardiovaskuläre Bildgebung (ZKVB) der Universitätsmedizin Mannheim.
Wo stehen wir momentan technisch im Bereich der Kardio-CT, welche Möglichkeiten haben wir, dieses Verfahren einzusetzen und welche Wertigkeit ist diesem Verfahren zuzuordnen?
Seit dem 01.01.2025 ist das Kardio-CT durch den Beschluss des G-BA (Gemeinsamer Bundesausschuss) als Kassenleistung in Deutschland anerkannt und steht somit nicht mehr nur Privatpatienten und Selbstzahlern zur Verfügung, sondern wurde auch Kassenpatienten zugänglich gemacht. Die European Society of Cardiology hat in ihren Leitlinien die Kardio-CT als erste Methode der Wahl für Patienten mit niedrigem bis intermediärem Risiko für eine koronare Herzkrankheit (KHK) empfohlen. Bei der Kardio-CT muss im Gegensatz zum klassischen Screening eine klinische Indikation vorliegen. Anhand von Alter, Geschlecht und klinischer Symptomatik wird die Vortestwahrscheinlichkeit ermittelt, bei niedriger bis intermediärer Wahrscheinlichkeit ist die Indikation zur Kardio-CT gegeben.
Was zeichnet den Standort Mannheim im genannten Kontext der klinischen Triagierung und Vortestwahrscheinlichkeit im Besonderen aus?
Wir haben mit dem Zentrum für Kardiovaskuläre Bildgebung (ZKVB) an der Universitätsmedizin Mannheim eine Zusammenarbeit zwischen Radiologie und Kardiologie, die mit ihrer engen Verzahnung zwischen den beiden Fachdisziplinen deutschlandweit ihresgleichen sucht. Prinzipiell kann die Indikationsstellung einer Kardio-CT durch die Allgemeinmedizin erfolgen, über das ZKVB wird die Indikationsstellung durch die Kardiologie auf hohem universitärem Standard und fachspezifisch gewährleistet.
Im ZKVB betreiben wir den modernsten Computertomografen der Welt, das Photon-Counting-CT. Welche besonderen Vorteile hat diese Technik für die Diagnostik der koronaren Herzkranzgefäße?
Der Hauptvorteil des Photon-Counting-CTs ist die räumliche und zeitliche Auflösung. Wir haben beim Kardio-CT die Herausforderung der Herzbewegung. Um Artefakte durch die Herzbewegung zu verhindern, braucht man eine niedrige Herzfrequenz oder einen schnellen Scanner. Das Photon-Counting-CT hat hier gegenüber dem nach G-BA mindestens erforderlichen 64-Zeiler deutliche Vorteile. Wir konnten in einer internen Studie bei einer für Standardgeräte zu hohen Herzfrequenz bis zu 73 Schlägen pro Minute mit einem sehr dosisreduzierten sogenannten High-pitch-Scan (Flash Mode) das gesamte Herz innerhalb von nur einer Diastole erfassen. Die Dosis lag hier bei durchschnittlich ca. 1 Millisievert (mSv). Ohne diese hohe räumliche und zeitliche Auflösung des Photon-Counting-CTs mit der zugehörigen Software liegen wir beim Standardgerät im retrospektiven Scan bei der 10-fachen Dosis. Zudem ist die Untersuchungsqualität im sogenannten Ultra-High-Resolution(UHR)-Mode bei einer Schichtdicke von 0,2 mm so gut, dass wir auch Patienten mit einer guten Diagnostik versorgen können, die sehr starke Verkalkungen der Herzkranzgefäße oder Stents in den Herzkranzgefäßen haben. Bis vor wenigen Jahren konnte man diesen Patienten keine Kardio-CT anbieten. Inzwischen sind wir in der Lage, auch bei Patienten mit einer hohen Herzfrequenz, Arrhythmie und Übergewicht eine Instentstenose auszuschließen und trotzdem noch mit einer akzeptablen Strahlendosis auszukommen.
Wir haben eine zweite Neuerung dieses Jahr, das Lungenkrebs-Screening. Gemeinsam mit den Kollegen und Kolleginnen des Klinikums rechts der Isar in München, vornehmlich Prof. Hoffmann, Leiter der Thoraxchirurgie, realisieren wir Best Practice-Modelle für das qualitätsgesicherte Lungenkrebs-Screening auch unter Nutzung entsprechender KI-Software. Wie kann man sich die Abläufe hier vorstellen?
Das Lungenkrebs-Screening ist soweit auf den Weg gebracht und wir erwarten einen Beschluss vom G-BA bis Ende des Jahres mit Festlegung einer entsprechenden Abrechnungsposition im EBM (Einheitlicher Bewertungsmaßstab, verbindliche Abrechnungsgrundlage für Vertragsärzte). Das bedeutet einen frühestmöglichen Start Anfang 2026. Wir werden in Deutschland gut 70 auf Lungenkrebs spezialisierte Zentren definieren, um diese Zentren herum findet die Erstversorgung in der ambulanten Medizin statt. Im Gegensatz zum Mammografie-Screening, bei dem mittels Postleitzahl, Geschlecht und Alter sehr einfach potenzielle Teilnehmerinnen ermittelt werden können, müssen für das Lungenkrebs-Screening qualifizierte Hausärzte, Internisten und Arbeitsmediziner Teilnehmer mit Nikotinkonsum im passenden Alter identifizieren. Diese können in spezialisierten zertifizierten radiologischen Praxen ein natives Niedrigdosis-Lungen-CT als Screening-Maßnahme erhalten. Wir stehen dann vor der strategischen Herausforderung, aus unterschiedlichsten niedergelassenen Radiologien mit verschiedensten Softwarelösungen hinsichtlich RIS (Radiologieinformationssystem) und PACS (Picture Archiving and Communication System), Daten, Bilder und Befunde in das Zentrum transferieren zu müssen, unter Einhaltung des Datenschutzes. Daher entwickeln wir hier in Mannheim gerade mit im M2OLIE-(Mannheim Molecular Intervention Environment)Verbund integrierten Firmen ein System für den E-Mail-Versand der Bilder ins Zentrum für die erforderliche Zweitmeinung. Das Gesetz gibt vor, dass der Zweitbefunder den Erstbefund erst nach Freigabe seines eigenen Befundes einsehen darf und dann beide Befunde auf Konsistenz überprüfen muss. Bei fehlender Übereinstimmung muss ein gemeinsamer Konsensus gefunden werden. Um die entsprechende Software zur Verfügung stellen zu können, arbeiten wir hier ebenfalls mit Firmen (QIT und Celsius37) aus dem M2OLIE-Verbund sowie dem Klinikum rechts der Isar in München (TUM) und dem Radiologischen Zentrum für Diagnostik und Therapie in München als ambulantem Player an einem Pilotprojekt zusammen. Wir beginnen damit, eine Roadmap zu erstellen, damit wir zum Screening-Beginn auch eine Screening-Struktur vorweisen können.
Ein drittes, sehr wichtiges Vorsorgeverfahren ist die Prostata MRT bei erhöhtem PSA-Wert. Hier haben über die letzten zehn Jahre Studien ganz klar den Nutzen einer MRT der Prostata zur Biopsieplanung gezeigt. Welche Bedeutung hat die biparametrische MRT ohne Verwendung von Kontrastmittel, im Hinblick auf einen präventiven Ansatz, auch als Gesamtkonzept in Kombination mit weiteren Screening- bzw. Vorsorgeuntersuchungen?
Durch ein biparametrisches Prostata-MRT können wir auf den Einsatz von intravenösem Kontrastmittel verzichten, hierdurch verkürzen wir die Untersuchungsdauer und senken die Kosten für eine Prostata-MRT bei gleichzeitiger Erhöhung der Patientensicherheit. Eine wichtige Studie, die 2024 in European Urology veröffentlicht wurde, zeigt, dass die biparametrische Prostata-MRT der multiparametrischen Prostata-MRT mit Kontrastmittelgabe nicht unterlegen ist. Zusätzlich können wir durch den Einsatz von KI wie beispielweise Deep-Resolve-Algorithmen bei bestimmten Scannern eine Reduktion der Untersuchungsdauer erreichen und eine Prostata-MRT innerhalb von 20 Minuten durchführen.
Mit der Kardio-CT, dem Lungenkrebs Screening und der Prostata-MR bzw. der MR-Mammografie ist es möglich, während eines Aufenthaltes ein relevantes Spektrum an kritischen Erkrankungen bei einer Gesamtuntersuchungszeit von unter 30 Minuten abzudecken.
Die Risikoprofile für kardiovaskuläre Erkrankungen – und natürlich auch die Krebsinzidenz – weisen einen Zusammenhang auf, mit Nikotinkonsum als relevantem Faktor. Kann es betriebswirtschaftlich sinnvoll sein, für die Früherkennungszielgruppe in einem Zentrum ein Photon-Counting-CT und einen High-End-MRT-Scanner zu kombinieren, um ein Gesamtpaket in Abhängigkeit von der Risikokonstellation anzubieten?
Der Trend wird dahin gehen, dass eine personalisierte Risikostratifizierung für jeden Teilnehmer durchgeführt wird. Es ist sinnvoll, dass jeder Teilnehmer oder Patient eine Untersuchung bzw. Untersuchungskombination in Abhängigkeit von der eigenen Anamnese, den Laborparametern und der Familiengeschichte erhält. Durch den demografischen Wandel werden wir mit einem Anstieg bestimmter Erkrankungen rechnen müssen, wie beispielsweise Herzinfarkt und Schlaganfall, aber auch onkologischen Erkrankungen wie Lungen-, Prostata- und Brustkrebs, und damit mit einem steigenden Bedarf an personalisierter und gut strukturierter Vorsorge. Bisher war die MRT baulich sehr schwierig in andere Systeme technisch zu integrieren und somit ein kompaktes Zentrum mit CT und MRT nur schwer umsetzbar. Modernste Geräte mit deutlich verringertem Heliumverbrauch und damit dem Wegfall des Heliumüberdruckrohres (Quenchrohr) eröffnen neue bauliche Möglichkeiten. Die Universitätsmedizin Mannheim ist in Partnerschaft mit Siemens Healthineers im Rahmen des Forschungscampus M2OLIE auch in diesem Bereich Vorreiter und investiert damit in die Zukunft.



