Rund um die Uhr vernetzt: Radiologie ohne Grenzen

PD Dr. med. Johann Rink
PD Dr. med. Johann Rink

Leiter des Geschäftsfeldes Diagnostische Entscheidungsunterstützungssysteme

Dr. med. Anja Weidner
Dr. med. Anja Weidner

Leiterin des Geschäftsfeldes Qualitätsmanagement und Datenschutz und medizinische Leitung Teleradiologie

Als Universitätsklinikum der Supramaximalversorgung trägt die Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin entscheidende Mitverantwortung für die Generierung einer maximalen Fallschwere am Standort für die Diagnose und Therapie, um universitäre Spitzenmedizin leistbar und auch finanzierbar zu machen. Entscheidend für die Fallschwere ist hier maßgeblich die diagnostische Abklärung bereits außerhalb der Universitätsmedizin Mannheim, um am Ort des Geschehens die Weichen für die entsprechende weitere komplexe Therapie zu stellen (Point-of-Care). Dies betrifft einerseits die Partnerschaften mit regionalen Krankenhäusern und radiologischen Praxen für die Fernbefundung von dort erstellten Bildern (Teleradiologie), aber zukünftig möglicherweise auch die mobile diagnostische Leistungserbringung vor Ort, auf Basis eines in einer Konsortialinitative entwickelten Fahrzeuges mit einem transportablen Computertomografen, der Mobilen Schlaganfalleinheit.

Herr Prof. Dr. med. Stefan Schönberg, Direktor der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin der Universitätsmedizin Mannheim im Gespräch mit Herrn PD Dr. med. Johann Rink, Leiter des Geschäftsfeldes Diagnostische Entscheidungsunterstützungssysteme und Oberarzt der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin der Universitätsmedizin Mannheim und Frau Dr. med. Anja Weidner, ärztliche Leitung der Teleradiologie, Leiterin des Geschäftsfeldes Qualitätssicherung und Datenschutz und Oberärztin der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin der UMM.

Wie sieht die Arbeit im Teleradiologienetz Rhein-Neckar aus und welche Vorteile ergeben sich durch diese teleradiologische Partnerschaft, einerseits für die Universitätsmedizin Mannheim, andererseits auch für die peripheren Häuser?

W: Primärer Auftrag unserer Teleradiologie ist die Betreuung externer Kliniken in der Notfallversorgung außerhalb der Regelarbeitszeiten mittels CT-Diagnostik. Wichtig ist uns hier vor allem auch die direkte Betreuung in der regional verorteten Teleradiologie. Wir führen regelmäßige Audits vor Ort in den Kliniken durch, schaffen so die Basis für eine gute Kommunikation und können Probleme direkt lösen. Wir haben durch die Teleradiologie die Möglichkeit, die Kliniken in der Notfallversorgung zu unterstützen und insbesondere schwere Fälle auch direkt über konsiliarische Mitbeurteilungen an unsere Klinik oder andere Kliniken weiterzuvermitteln. Das hat den Vorteil, dass wir die Patienten, die eine Maximalversorgung benötigen, direkt weiterverlegen können. Für die peripheren Häuser bedeutet dies eine enorme Entlastung und die Sicherheit, bei komplexen Fällen auf universitäre Expertise zurückgreifen zu können. Im Universitätsklinikum konzentrieren wir uns so auf die Patienten, die hochspezialisierte Teams und Infrastruktur erfordern, gleichzeitig können wir unsere Expertise regional wirksam einsetzen. Über das Teleradiologienetzwerk sind zudem ca. 100 Kliniken und Praxen digital angebunden.

Ein wichtiger Teil der teleradiologischen Notfallversorgung ist die Triage der Patienten an eine geeignete Klinik. Welche Patienten werden aufgrund unserer Ferndiagnose sekundär an andere Krankenhäuser verlegt?

W: Eine Patientengruppe, die häufiger hiervon profitiert, ist die mit neurologischer Symptomatik. Das betrifft insbesondere Patienten mit Verdacht auf intrakranielle Hämorrhagie; zur Abgrenzung zum ischämischen Schlaganfall wird hier regelhaft eine kranielle CT durchgeführt. Diese Patienten können bei einer entsprechenden Pathologie im CT gezielt an ein geeignetes Haus überwiesen werden.

Die Konsortial-Initiative RettungsNetz-5G hebt das Konzept der schnellen und ortsnahen Diagnostik noch einmal auf ein ganz neues und innovatives Level. Welche besonderen Chancen ergeben sich durch diese innovative Installation eines mobilen CTs in einem normalen Krankenwagen?

R: Es ergeben sich durch ein solches Konzept grundlegend neue Chancen. Bei akuten neurologischen Erkrankungen wie dem Schlaganfall aufgrund eines Gefäßverschlusses oder aber einer intrakraniellen Blutung bestimmt frühzeitiges Handeln über die Prognose. Das ist die wesentliche Idee, auf der die Initiative, basierend auf einer engen Kooperation mit der Integrierten Rettungsleistelle, dem DRK Mannheim, der Neurologischen Klinik, der Neuroradiologie unserer Klinik und unzähliger weiterer wichtiger Beteiligter aufbaut. Neurologische Pilotprojekte an anderen Standorten haben die Machbarkeit einer Diagnose von Notfallpatienten mit Verdacht auf Schlaganfall bereits an der Einsatzstelle gezeigt. Das kann für die Gesundheitsversorgung insgesamt eine Effizienzsteigerung, aber besonders auch für betroffene Patienten einen Vorteil bedeuten, entsprechend hochrangig publizierter Daten. Betroffene können zügiger therapiert und direkt in das Zentrum gebracht werden, das für ihre spezifische Situation am besten geeignet ist.

Ein wichtiger Punkt ist hierbei auch das Hinarbeiten auf die notwendige Implementierung in eine Gesamtstrategie, die das Verfahren mit der Durchführung von Folgehandlungen verknüpft, zum Beispiel einer neuroradiologischen interventionellen Thrombektomie zur Entfernung eines Blutgerinnsels, die bei geeigneten Patienten durchgeführt wird. Sie wird von spezialisierten Zentren angeboten, ähnlich zur neurochirurgischen Intervention, die ebenfalls notwendig sein kann und spezialisierten Zentren vorbehalten ist. Durch die frühe Diagnosestellung vor Ort kann die Organisation der Folgehandlungen wesentlich effizienter gestaltet werden, was uns auf weitere positive Effekte hoffen lässt.

Was ist das technisch Besondere an dieser neuen mobilen Schlaganfalleinheit in Abgrenzung zu existierenden Fahrzeugen?

R: Die Partner haben konzeptionell großen Wert auf ein sehr leichtes Fahrzeugdesign gelegt, mit einem Gesamtgewicht von nur 5,5 Tonnen. Das ermöglicht eine hohe Kompatibilität hinsichtlich Führerscheinen und Personal für die Rettungsdienste, aber auch eine hohe Flexibilität in Bezug auf geografische Gegebenheiten, während kein Patiententransport vorgesehen ist – um die Einheit möglichst umfassend freizuhalten. Weltweit gehören wir zu den ersten Kliniken, die eine Installation dieses speziellen CT-Geräts in einem Fahrzeug umgesetzt hat. Von diesem neuen Gerät versprechen wir uns grundlegend eine hohe Bildqualität, die qualitativ an die hochwertige bestehende neuroradiologische Diagnostik in unserer Klinik heranreicht. Darüber hinaus verfügt das Fahrzeug über eine starke telemedizinische Konnektivität, die eine stabile Teleradiologie ermöglicht und die komplette Übertragung aller Falldaten in unsere, aber eben auch in andere Kliniken gewährleistet, ein sehr wichtiger Baustein auf dem Weg zu einem zukünftigen nachhaltigen und kooperativen Versorgungskonzept. Insgesamt sind wir zuversichtlich, dass durch die bisher geschaffenen und weiter in Entstehung befindlichen interdisziplinären Partnerschaften in unserem Hause und darüber hinaus gemeinsam das System sehr bald in den Betrieb überführt werden kann.

Unsere eigenen Analysen zeigen, dass wir mittlerweile 70 % aller CT-Leistungen außerhalb der Regelversorgung anbieten. Wie ändert sich das Berufsbild des Radiologen?

W: Durch das hohe Aufkommen an Notfalluntersuchungen hat der Radiologe vor Ort nicht mehr nur die Aufgabe der reinen Befundung, sondern muss auch ein großes Maß an Organisation bewältigen. Neben den teleradiologischen Patienten, die versorgt werden müssen, haben wir natürlich auch Inhouse-Patienten, die teilweise interventionellen Bedarf haben, und die Versorgung der Intensivstationen, die vom Untersuchungsablauf oft sehr herausfordernd ist. Es müssen mitten in der Nacht komplexe Entscheidungen im Dialog mit anderen Disziplinen getroffen werden. Um diesen Veränderungen gerecht zu werden, arbeiten wir verstärkt in interdisziplinären Teams zusammen.

Dieser Prozess ist besonders dann fehleranfällig, wenn sich akute Notfallspitzen herauskristallisieren. Welche Chancen sehen Sie hier für den Einsatz Künstlicher Intelligenz, um die Entscheidungsfindung verlässlicher und vor allen Dingen auch robuster gegenüber menschlichem Versagen zu machen? Gibt es bereits konkrete Anwendungsbeispiele, die Sie nutzen?

R: Tatsächlich bietet KI uns die große Chance, menschliche Entscheidungen sinnvoll zu unterstützen und auch einer zusätzlichen Qualitätskontrolle zu unterziehen. Es gibt einerseits die Möglichkeit, CT-Bilddaten, die wir akquirieren – zum Beispiel im Teleradiologie-Setting – automatisiert analysieren zu lassen. Dies kann die Behandler in der Akutsituation dabei unterstützen, den optimalen Weiterversorgungsweg auszuwählen, im Sinne einer Entscheidungsunterstützung. Gleichzeitig fallen in unserem teleradiologischen Setting und zukünftig möglicherweise auch in der mobilen Einheit, neben Bilddaten auch klinische Daten an. Ein großer, sehr vielversprechender zukünftiger Anwendungsfall für den Einsatz von KI wird sein, eben diese Daten sinnvoll zu integrieren und den Menschen darin zu unterstützen, auch chaotische und sehr komplexe Situationen strukturiert zu überblicken und die verschiedenen Patienten frühzeitig auf den richtigen Weg zu bringen.

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