In der modernen klinischen Forschung spielt die bildgebende Diagnostik eine zentrale Rolle – insbesondere bei der Beurteilung des Therapieansprechens im Rahmen von onkologischen Studien. Die Einhaltung der Anforderungen der Good Clinical Practice (GCP) und – im radiologischen Kontext – die Berücksichtigung des Strahlenschutzes sind für die Gewährleistung der Sicherheit der Studienpatienten elementar. Die Studienzentrale der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin am Universitätsklinikum Mannheim (UMM) übernimmt hierbei eine Schlüsselposition. Sie gewährleistet die standardisierte, qualitativ hochwertige Auswertung radiologischer Bilddaten nach international anerkannten Kriterien wie RECIST (Response Evaluation Criteria In Solid Tumors) und sorgt so für Reproduzierbarkeit und Vergleichbarkeit von Studienergebnissen. Ein erfahrenes Team von Radiologen sowie eine ebenso kompetente Studienkoordinatorin konnten in den letzten Jahren eine Optimierung insbesondere in der Konstanz der Auswertungen erreichen. Dr. med. Simon David Sprengel leitet als Oberarzt und Facharzt für Radiologie und Strahlentherapie die Studienzentrale und bringt sowohl die Expertise in der onkologischen Therapie als auch in der onkologischen Bildgebung mit. Herr Jens Hoffmann ist als Assistenzarzt in der KIRN für die Auswertungen nach RECIST verantwortlich. Frau Silke Bittdorf ist MTR (Medizinische Technologin für Radiologie) mit einer Weiterbildung zur Lehr-MTR, einer Weiterbildung zur Studienassistentin sowie mehreren Zusatzqualifikationen in Studienkoordination und Management. Das Team der Studienzentrale im Gespräch mit Prof. Dr. med. Stefan Schönberg, Direktor der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin der UMM, zur Entwicklung und Zukunft der Studienzentrale.
Welche Aufgabe erfüllt die Studienzentrale der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin der UMM?
Die Hauptaufgabe ist die standardisierte Auswertung von radiologischen Untersuchungen, die im Rahmen von klinischen Studien an der UMM durchgeführt werden. Häufig ist eine Bewertung nach definierten Kriterien notwendig, ein besonderer Fokus liegt auf RECIST-Kriterien zur Tumorverlaufsbeurteilung. Vor der Einrichtung der Studienzentrale wurden Studienbefunde während der regulären Befundung erstellt. Das führte jedoch zu einer hohen Fehlerrate, da diese Auswertungen klar definierten und zum Teil sehr komplexen Regeln folgen müssen. Heute erfolgen diese aufwendigen Auswertungen ausschließlich durch spezialisierte, qualifizierte Fachkräfte. Dieses Vorgehen sorgt für eine hohe Qualität, eine Standardisierung und Minimierung der Variabilität durch gleichbleibende Befunder – entsprechend den Vorgaben der Good Clinical Practice (GCP) und den Studienprotokollen.
Der wesentliche Punkt bei der Auswertung von Studien ist die Verlaufsbeurteilung der bei der Baseline festgelegten Läsionen. Wie wird die Nachvollziehbarkeit sichergestellt und welche Entwicklung ist zu erwarten?
Aktuell messen wir die Läsionen manuell, tragen die Daten in eine Tabelle ein und integrieren diese in den Befund. Zur Baseline werden zusätzlich Key Images gespeichert, das heißt wir archivieren einen Screenshot mit der markierten Läsion und der dazugehörigen Messung. Da dieses Vorgehen einen hohen Zeitaufwand erfordert, werden bei Verlaufskontrollen zusätzliche Key Images nur dokumentiert, wenn die Läsion schwer auffindbar oder deutlich verändert ist. Eine klar dokumentierte Baseline ist essenziell, um Läsionen im Verlauf korrekt zu verfolgen. Es gibt bereits Softwaretools, die diese Dokumentation und auch die Verlaufsmessungen automatisiert bzw. teilautomatisiert durchführen können. Mit der in diesem Jahr anstehenden Implementierung unseres neuen RIS/PACS-Systems (Radiologieinformationssystem/Picture Archiving and Communication System) soll ein integriertes Tool unseren Workflow optimieren und die erhobenen Daten direkt ins RIS einbinden. Das Ziel ist ein nahtloser Prozess, bei dem Läsionen markiert, automatisch übernommen und im Verlauf verglichen und nachvollziehbar dokumentiert werden.
Standardisierte Kriterien wie bei RECIST sind elementar für die Studienauswertung. Welchen Vorteil bietet dieses Vorgehen?
Standardisierte Kriterien zu Beurteilung von Verlaufsuntersuchungen erlauben es, die Therapieantwort auf ein neues Medikament objektiv zu quantifizieren und subjektive Interpretationen zu vermeiden. Therapien können unabhängig vom Untersucher und standortübergreifend verglichen werden. Außerdem ist eine bessere Vergleichbarkeit auch über verschiedene Studien hinweg gegeben. Verzerrungen in der Auswertung von Studienergebnissen (Bias) werden vermieden und die Reproduzierbarkeit der Studien erhöht. Die standardisierte Terminologie ermöglicht die klare Kommunikation zwischen Forschern, Klinikern und Zulassungsbehörden. Eine korrekte Bewertung des individuellen Therapieansprechens ist notwendig für eine fundierte klinische Entscheidung. So können Patienten, die nicht gut auf eine neue Therapie ansprechen, frühzeitig identifiziert werden und das Therapieregime kann angepasst werden.
Der Einsatz von klar definierten Kriterien wie RECIST ist besonders relevant bei gemischten Therapieantworten oder Immuntherapien, bei denen z. B. Tumorvergrößerungen auch durch die Einwanderung von Immunzellen entstehen können. Weiterentwickelte Kriterien wie iRECIST tragen hier dazu bei, falsch positive Bewertungen zu vermeiden.
Die Verlaufsbeurteilung von Studienuntersuchungen nach klar definierten Kriterien scheint eine hervorragende Einsatzmöglichkeit für KI zu sein. Wo kann KI die Arbeit der Studienzentrale in Zukunft unterstützen?
Wir können die KI zur Strukturerkennung für repetitive Aufgaben einsetzen, zur Identifikation von Zielläsionen, Segmentierung, Volumetrie und Vermessung. Das erhöht die Objektivität und reduziert den Zeitaufwand. Perspektivisch werden die RECIST-Kriterien automatisiert angewandt, beispielsweise zur Berechnung von Veränderungen der Tumorgröße und zur Identifizierung neuer Läsionen im Verlauf. Eine Stärke der KI wird sicherlich die Identifikation von subtilen Veränderungen sein, die zukünftig auch zu einer Anpassung der RECIST-Kriterien und damit einer früheren Erkennung von therapierelevanten Veränderungen und Entwicklung prädiktiver Modelle führen könnte. Weitere denkbare Einsatzbereiche sind Dokumentation, Qualitätssicherung und Benchmarking.
Durch den Einsatz von KI bleibt uns mehr Zeit für die Interpretation und individuelle Entscheidung. Wir erlangen Sicherheit durch die redundante Bewertung der Daten durch KI und Mensch. Gerade in komplexen klinischen Situationen wird menschliches Urteilsvermögen unersetzlich bleiben. KI wird unsere Arbeit ergänzen, nicht ersetzen.
Wie wird die fachliche Qualifikation der Auswerter sichergestellt?
Die Qualifikation erfolgt durch spezifische Trainings der jeweiligen Sponsoren. Diese sind speziell an die jeweilige Studie angepasst und die Voraussetzung, um an der Auswertung teilzunehmen. Eine weitere Voraussetzung zur Durchführung und Auswertung von Studien ist ein Good clinical practice (GCP)-Kurs für die verantwortlichen Studienärzte, um die Studien rechtssicher, unter Einhaltung der ethischen Standards und mit validen Ergebnissen durchführen zu können. Zusätzliche Schulungen durch anerkannte Organisationen, wie etwa Kurse bei der EORTC (European Organisation for Research and Treatment of Cancer), ermöglichen zusätzliche Expertise und den Austausch mit erfahrenen Kollegen. Nicht zuletzt ist auch die stetige Beschäftigung mit der Materie, die eigenständige Fortbildung und die interdisziplinäre Kommunikation ein relevanter Faktor für eine hohe Qualität und Expertise.
Welche Rolle spielt die Studienkoordinatorin in diesem Prozess?
Eine Aufgabe der Studienzentrale besteht darin, Studienaufträge von Sponsoren über andere Kliniken der UMM zu koordinieren. Die Durchführung von Studien zur Zulassung neuer Therapien ist hoch komplex und mit einem immensen Organisations- und Dokumentationsaufwand verbunden. Die Studienkoordinatorin ist das Herz der Studienzentrale. Zu ihren Aufgaben gehören die Kommunikation mit den Kliniken und Sponsoren, die Prüfung von Verträgen, die Budgetplanung, Leistungserfassung und Abrechnung und der Versand von Auswertungen und Untersuchungen. Bei der Weitergabe sensibler Daten, wie im Falle medizinischer Bilddaten, ist eine korrekte Anonymisierung zum Schutz unserer Patienten von großer Bedeutung. In der Radiologie ist ein elementares Thema der Strahlenschutz, daher unterstützt die Studienkoordinatorin die Sponsoren bei der Anzeige oder Genehmigungsbeantragung von Studien beim BfS (Bundesamt für Strahlenschutz). Wir betreuen derzeit mehr als 50 aktive Studien; die Verwaltung aller Anforderungen erfordert ein großes Maß an Struktur und Organisationsfähigkeit. Unsere Studienkoordinatorin absolvierte zunächst eine Ausbildung als MTRA (Medizinisch-Technische Radiologieassistentin) und hat somit Erfahrung in der Durchführung radiologischer Untersuchungen. Um den zusätzlichen und umfangreichen Anforderungen als Studienkoordinatorin gerecht zu werden, folgte eine Weiterbildung zur Studienassistenz sowie Kurse zur Erlangung von Zusatzqualifikationen in den Bereichen Studienkoordination, Projektmanagement und Qualitätsmanagement. Dank der Arbeit der Studienkoordinatorin können wir uns als Radiologen auf unsere Kernaufgabe, die Auswertungen der Bilddaten, konzentrieren.
Es erfolgt eine Einteilung in vier Kategorien hinsichtlich der Entwicklung der Tumormanifestationen:
- Komplettes Ansprechen (CR)
- Partielles Ansprechen (PR)
- Stabile Erkrankung (SD)
- Progressive Erkrankung (PD).
Der Einsatz der RECIST-Kriterien ermöglicht eine objektive und vergleichbare Bewertung der Wirksamkeit von neuen Therapien über verschiedene Studien und Zentren hinweg.
Spezielle Kriterien werden beispielsweise für Immuntherapien (iRECIST) verwendet.
Wie sieht die Zukunft der Studienzentrale aus?
Langfristig soll die Studienzentrale in ein Center for Quantitative Imaging überführt werden. Ziel ist es, nicht nur Studienauswertungen zu betreuen, sondern auch Bilddaten umfassend zu quantifizieren, eigene Studien und Qualitätskontrollen (Benchmarking) durchzuführen und letztlich die Patientenversorgung evidenzbasiert zu optimieren. Quantitative Radiologie und KI-gestützte Analysen werden dabei eine zentrale Rolle spielen.