Radiologisches Notfallzentrum: Wenn jede Minute zählt

PD Dr. med. Hany Kayed
PD Dr. med. Hany Kayed

Leiter des radiologischen Notfallzentrums und Sektionsleitung Computertomographie der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin

Dr. med. Greta Thater
Dr. med. Greta Thater

Stellvertretende Leiterin des radiologischen Notfallzentrums der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin

Im Rahmen der radiologischen Umstrukturierungen wurde 2019 ein neuer Computertomograf (CT) in der zentralen Notaufnahme Mannheim implementiert, wodurch ambulante und stationäre Patientenströme von den Notfallpatienten getrennt werden konnten und erhebliche Versorgungsverbesserungen erzielt wurden. Die direkte bauliche Anbindung des CT an den Schockraum beschleunigte den diagnostischen Prozess insbesondere bei Schwerstverletzten. Darüber hinaus hat sich diese strukturelle Anpassung in der Corona-Pandemie bei hohem Patientenaufkommen in der Versorgung infektiöser Patienten bewährt. Herr Privatdozent Dr. med. Hany Kayed, Leiter des radiologischen Notfallzentrums und Sektionsleitung Computertomografie der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin der UMM, und Frau Dr. med. Greta Thater, stellvertretende Leiterin des Radiologischen Notfallzentrums sprechen mit Herrn Prof. Dr. med. Stefan Schönberg, Klinikdirektor der Radiologie und Nuklearmedizin der UMM, über Entwicklung und Zukunft der radiologischen Notaufnahme.

Herr PD Dr. med. Hany Kayed verfügt über fast 20 Jahre Erfahrung in der universitären Radiologie und Praxisradiologie und leitet das radiologische Notfallzentrum seit Oktober 2021. Frau Dr. med. Greta Thater leitete dieses seit August 2020 zunächst in einer kommissarischen Funktion und seit Oktober 2021 als Stellvertreterin unter der Führung von Herrn PD Dr. Hany Kayed.

Das Integrierte Notfallzentrum der Universitäts-medizin Mannheim gilt als Herzstück der Akutversorgung und zugleich als zukunftsweisendes Leuchtturmprojekt. Was macht sie heute bereits so besonders – und wo sehen Sie konkreten Handlungsbedarf, um auch künftig dem steigenden Patientenaufkommen gerecht zu werden?

T: Das Integrierte Notfallzentrum der UMM unter der Leitung von Dr. Florian Rehberger und seinem Team nimmt eine Schlüsselfunktion in der medizinischen Akutversorgung ein. Als einzige universitäre Einrichtung mit bereits gelebter interdisziplinärer zentraler Notaufnahme in der Metropolregion Rhein-Neckar ist sie richtungsweisend und steht für höchste medizinische Qualität.

Über 45.000 Patientinnen und Patienten jährlich, mit einem steigenden Anteil an komplexen Notfällen, bestätigen die zentrale Rolle unseres Standorts. Unsere Stärken liegen klar in der interdisziplinären Zusammenarbeit, in den strukturierten Abläufen und den richtungsweisenden Versorgungsstrukturen. Um diese Qualität zu sichern, bedarf es fortlaufender Prozessoptimierungen – insbesondere bei Triage, Turnaround-Zeiten und interdisziplinärer Ressourcen-steuerung.

Welche Auswirkungen hat das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) auf Ihre Planung und die Strukturierung der Notaufnahme?

K: Bei der Betrachtung des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes müssen unterschiedliche Aspekte berücksichtigt werden. Das Gesetz verfolgt das Ziel, die stationäre und ambulante Versorgung enger miteinander zu verknüpfen, fachliche Kompetenzen zu bündeln und integrierte Notfallstrukturen gezielt zu fördern. Wir müssen also nicht nur auf die wachsenden Patientenzahlen effizienter reagieren, sondern auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit sowie die Nutzung bestehender Versorgungsmodelle – wie etwa die Kooperation mit dem Medizinischen Versorgungszentrum Mannheim (MVZ) der UMM –stärken.

Das am 1. Januar 2025 in Kraft getretene Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) soll die Qualität und Effizienz der Krankenhausversorgung in Deutschland optimieren. Sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen sollen gefördert und Bürokratie abgebaut werden. Kernpunkte sind die Einführung von bundeseinheitlichen Leistungsgruppen, eine veränderte Vergütungsstruktur zur Reduktion des ökonomischen Drucks sowie die Stärkung der Rolle der Bundesländer in der Krankenhausplanung. Die Umsetzung soll schrittweise bis Ende 2026 erfolgen.

Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, setzen wir auf noch gezieltere Steuerung der Patientenströme: prähospital, etwa durch optimierte diagnostische Möglichkeiten wie die in Entstehung befindliche interdisziplinäre Mobile Stroke Unit (MSU), oder innerklinisch durch eine digital gestützte, strukturierte Zuordnung in ambulante oder stationäre Versorgungswege. Neben der Grundversorgung im ambulanten und stationären Bereich können wir das Potenzial des radiologischen Notfallzentrums nutzen, die Schwerpunkt- und Maximalversorgung weiterzuentwickeln. Beispielsweise ist ein Großteil der Patienten in der Notaufnahme fortgeschrittenen Alters. Mit der Integration des Schwerpunktes Geriatrie in die Notaufnahme könnte auch für diese Patientengruppe eine optimale fachliche Schwerpunktversorgung bereits in der zentralen Notaufnahme gewährleistet werden. Gleichzeitig erfolgt die Versorgung von Patienten der übrigen Altersgruppen, die ein anderes Erkrankungsspektrum aufweisen, weiterhin fokussiert und unter Schonung der personellen Ressourcen. Weiterhin spielt auch die medizinische Aufklärung eine wichtige Rolle: Patientinnen und Patienten sollen besser verstehen, wann eine Vorstellung in der Notaufnahme notwendig ist – und wann eine ambulante Behandlung, z. B. im MVZ, angemessen und sinnvoll ist. So können wir wertvolle Ressourcen gezielter einsetzen und Überlastungen im Klinikbetrieb vermeiden, ohne die Versorgungsqualität aus dem Blick zu verlieren. Insgesamt sehen wir diese Herausforderung aus radiologischer Perspektive als Chance, um die Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen weiter zu optimieren sowie die Versorgung in der Notaufnahme auf höchstem Level stabil zu halten und patientenzentrierter zu gestalten.

Sehen Sie sich im Zuge der Reform bereits mit steigenden Patientenzahlen und veränderten Patientenzuflüssen in der Notaufnahme konfrontiert?

T: Aktuell sehen wir eine dynamische Entwicklung mit stetig wachsenden Patientenzahlen. Allein im Jahr 2023 wurden über 45.000 Patientinnen und Patienten in der ZNA behandelt und rund ein Drittel davon stationär aufgenommen, viele davon im höheren Lebensalter. Mit dem Rückgang peripherer Versorgungseinrichtungen erwarten wir innerhalb der nächsten zwei Jahre einen Anstieg der Fallzahlen um bis zu 30 %. Knapp 75 % der Patienten kommen aus Mannheim und der Rhein-Neckar-Region, ca. 20 % aus einem erweiterten Umkreis, aber auch überregionale Fälle nehmen zu.

Welche Rolle spielt die Radiologie in der Weiterentwicklung der Interdisziplinären Notaufnahme (INZ)?

Das Integrierte Notfallzentrum (INZ) der UMM versorgt jährlich rund 45.000 Patienten der Metropolregion Rhein-Neckar und darüber hinaus. Durch die strukturellen Anpassungen der letzten Jahre konnte die Versorgung insbesondere der Schwerstverletzen und der Schlaganfallpatienten deutlich verbessert werden, etwa durch die Implementierung eines Computertomografen direkt in der Notaufnahme. Interdisziplina-rität und Digitalisierung unter Einbeziehung von KI sollen auch zukünftig den steigenden Bedarf an der Notfallmedizin in der UMM mit universitärer Expertise gewährleisten.

K: Die Radiologie ist längst ein zentraler Bestandteil der interdisziplinären Notfallversorgung. Wir sind das Haus der Supramaximalversorgung für die Region, das gilt auch für die Notfallversorgung. Die Patienten in unserer Notaufnahme erhalten eine exzellente radiologische Diagnostik mit modernstem Gerätepark, hochqualifiziertem radiologischem Personal und konsequenter Einhaltung des Strahlenschutzes mit ständiger Optimierung der Strahlendosis. Häufig bestätigen wir die klinische Diagnose, entdecken jedoch auch unerwartete Pathologien oder schließen eine akut behandlungsbedürftige Erkrankung vor der Entlassung aus. Eine beschleunigte Bildgebung ermöglicht nicht nur eine zügigere Therapie, sondern verkürzt auch die Aufenthaltsdauer der Patientinnen und Patienten in der ZNA und entlastet damit die Infrastruktur. Zudem werden Entscheidungen über das weitere Prozedere und die Therapie zunehmend anhand der Bildgebung getroffen.

Was sind Ihre konkreten Ziele zur Optimierung der Notfallprozesse und Ihre Reaktionen auf ein steigendes Patientenaufkommen?

T: Im Mittelpunkt stehen die Patientensicherheit und die Versorgungsqualität. Um diesem wachsenden Bedarf gerecht zu werden, braucht es noch effizientere Abläufe innerhalb der Radiologie sowie in der interdisziplinären Zusammenarbeit. Wir setzen auf eine konsequente Prozessoptimierung: Durch eine Neuausrichtung der Radiologie mit einem festen Ärzteteam in der Notfallradiologie und neuen Verantwortlichkeiten sorgen wir für schnellere Befundfreigaben bei gleichbleibend hoher Qualität. Neben internem Optimierungspotenzial gibt es aus meiner Sicht weitere interdisziplinäre Punkte, die zu priorisieren sind: die Implementierung eines ZNA-eigenen Transportdienstes führt zur Entlastung des schwindenden Fachpersonals von fachfremden Aufgaben, reduziert Leerzeiten und steigert die Verfügbarkeit der Geräte. Durch die Präzisierung des Shared Desk-Prinzips, bei dem die Patienten an einem gemeinsamen Tresen, vergleichbar dem Vorgehen in einer Arztpraxis, gesichtet werden, optimieren wir die Schnittstelle zwischen der Notaufnahme, dem MVZ und dem ärztlichen Bereitschaftsdienst. Dies stellt einen zentralen Baustein dar, um das steigende Patientenaufkommen zu beherrschen und zugleich den individuellen Bedürfnissen jedes Patienten gerecht zu werden.

Übergeordnetes Ziel muss eine enge, gleichgewichtige interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Notaufnahme und mit den ambulanten Versorgern sein.

Welche Maßnahmen wurden bisher bereits erfolgreich umgesetzt?

T: Mit der Installierung eines Computertomografen direkt im Zentrum der Notaufnahme im Jahr 2019 haben wir bereits einen entscheidenden Meilenstein erreicht. Hierdurch haben wir eine strikte Trennung der Patientenströme erzielt. Stationäre, ambulante und Notaufnahme-Patienten werden räumlich voneinander getrennt untersucht, was die Effizienz und Übersichtlichkeit enorm verbessert hat. Der Computertomograf in der Notaufnahme ist exklusiv für Notfallpatienten reserviert, was bedeutet, dass wir in kritischen Fällen keine wertvolle Zeit verlieren. Die direkte Nähe zum Schockraum verkürzt die Wege, spart Zeit und ermöglicht uns, schneller und präziser zu therapieren. Das ist vor allem für die Versorgung von Schwerverletzten von enormer Bedeutung und ein großer Gewinn.

Jede Minute zählt – ein in der Medizin weit verbreiteter Grundsatz, der aktuell häufig im Zusammenhang mit der Mobile Stroke Unit genannt wird. Gibt es analoge innerklinische Mechanismen an der UMM, die eine ebenso schnelle Versorgung auch bei hohem Patientenaufkommen gezielt sicherstellen können?

K: Das Hauptproblem bei der Versorgung von Schlaganfällen ist der Zeitverlust zwischen Ereignis und Behandlung. Bei Schlaganfällen wird die Blut- und Sauerstoffversorgung in einem Teil des Gehirns unterbrochen. Es reagiert sehr empfindlich auf Sauerstoff- und Durchblutungsmangel; schon nach kurzer Zeit können Organschädigung und Funktionseinschränkung trotz aller hochwertigen fachlichen Kompetenzen irreversibel sein. An der Universitätsmedizin Mannheim haben wir gemeinsam mit der Neurologie und der Neuroradiologie eine Inhouse-Schlaganfall-Alarmierung etabliert, die beim Eintreffen eines potenziellen Schlaganfallpatienten sofort eine interdisziplinäre Alarmierungskaskade auslöst. Alle beteiligten Fachdisziplinen – von der Notaufnahme über die Neurologie und die Neuroradiologie bis zum Interventionsteam werden gleichzeitig informiert und aktiviert. Dadurch konnten die relevanten Zeitfenster für die Diagnostik, die effektive Behandlung und die Erhaltung der Hirnfunktion signifikant verbessert werden. Dieser strukturierte Ablauf ermöglicht eine hochqualitative Versorgung, auch bei gleichzeitig hohem Patientenaufkommen, und minimiert einen kritischen Zeitverlust zwischen Erstkontakt, Diagnostik und Therapieeinleitung.

Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz in der Notfallradiologie der Zukunft?

T: Künstliche Intelligenz wird einen zentralen Bestandteil der zukünftigen Notfallradiologie ausmachen. Ziel muss es sein, kritische Befunde wie Lungenembolien, Hirnblutungen oder Gefäßverschlüsse frühzeitig zu erkennen, auch bei hohem Patientenaufkommen. Die KI kann durch Vorselektion kritischer Befunde und Markierung potenzieller Pathologien die diagnostische Sicherheit erhöhen, Entscheidungsprozesse beschleunigen und die radiologische Versorgung auf ein neues Qualitätsniveau heben. Gleichzeitig entlastet sie das Fachpersonal in Spitzenzeiten und verbessert die Versorgung rund um die Uhr.

Welche Maßnahmen zur Qualitätssicherung sind in der Notaufnahme etabliert, um eine kontinuierliche Verbesserung der Versorgung sicherzustellen?

T: Zentrale Elemente unserer Qualitätssicherung sind zum einen der enge tägliche Austausch zwischen den beteiligten Fachabteilungen sowie zum anderen regelmäßige feste Fallbesprechungen. Durch diesen kontinuierlichen Dialog stellen wir sicher, dass alle Beteiligten immer auf dem gleichen Stand sind und notwendige Anpassungen schnell vorgenommen werden können. Darüber hinaus ist unser interdisziplinäres Traumazentrum nicht nur qualifiziert, sondern wird auch regelmäßig rezertifiziert, um den hohen Anforderungen gerecht zu werden und die bestmögliche Versorgung unserer Patienten zu gewährleisten.

Was halten Sie Hinblick auf die weitere Entwicklung der Notaufnahme persönlich für relevant?

K: Das Integrierte Notfallzentrum der Universitätsmedizin Mannheim ist mehr als nur eine Notaufnahme, es ist ein ganzheitliches Zukunftskonzept: Interdisziplinarität, Digitalisierung, Strukturveränderung und KI-Integration sind der Schlüssel für die Notfallversorgung von morgen.

T: Die nachhaltige und breit getragene und gelebte interdisziplinäre Zusammenarbeit der beteiligten Fachdisziplinen mit hoher Bereitschaft zur gemeinsamen Aufgabenbewältigung stärkt die schnelle und kompetente Umsetzung unserer Ziele zu einer qualitativ hochwertigen interdisziplinären Notaufnahme und leistet damit den in den Leitsätzen definierten Dienst am Patienten.

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