Die Implementierung des Photon-Counting-Computertomografen (PC-CT) an der Universitätsmedizin Mannheim (UMM) markiert einen bedeutenden Meilenstein in der kardiovaskulären Bildgebung und leitet eine außergewöhnliche Kooperation zwischen der I. Medizinischen Klinik und der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin ein. Diese enge Zusammenarbeit führte im Frühjahr 2022 zur Gründung eines interdisziplinären Zentrums für Kardiovaskuläre Bildgebung (ZKVB), das sich auf modernste diagnostische Verfahren konzentriert. Das ZKVB bündelt alle nicht invasiven diagnostischen Verfahren der Herzbildgebung, insbesondere die kardiale Echokardiografie (EKG), die Computertomografie (CT) und die Magnetresonanztomografie (MRT) in einer interdisziplinären Einrichtung der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin und der I. Medizinischen Klinik für Kardiologie, Angiologie, Hämostaseologie und Internistische Intensivmedizin. Die erfolgreiche DIN ISO 9001-Zertifizierung 2022 sowie die Re-Zertifizierungen in den Jahren 2023 und 2024 bestätigen nicht nur den Erfolg des Zentrums, sondern auch die herausragende Leistung der beteiligten Kliniken.
Die klinischen Schwerpunkte des ZKVB liegen in der diagnostischen Abklärung der koronaren Herzkrankheit (Kombination CTA, Ischämiediagnostik mittels Stress-MRT sowie Beurteilung der myokardialen Vitalität), der Herzinsuffizienz, der Myokarditis und komplexer Rhythmusstörungen. Ziel ist es, optimale, patientenindividualisierte Entscheidungen für nachfolgende minimalinvasive Therapien zu generieren. Mit den Dual-Energy-CTs der neuesten Generation, insbesondere dem PC-CT, konnte eine Genauigkeit von über 90 % bei der Einstufung von koronararteriellen Stenosen erreicht werden. Die wissenschaftlichen Schwerpunkte liegen beim PC-CT im Bereich der KI-gestützten myokardialen Texturanalyse mit Radiomics und der CT-basierten Bestimmung der fraktionalen Flussreserve. Beim MRT liegt der Fokus auf der myokardialen Funktionsanalyse mit kontrastmittelfreien quantitativen Untersuchungstechniken sowie auf der Risikostratifizierung des plötzlichen Herztodes.
Im Rahmen der ISO 2001-Zertifizierung unterliegt das ZKVB einer intensiven Qualitätssicherung, insbesondere in den Bereichen der Strahlenexpositionserfassung, der Ergebnisqualität bei der PC-CT-basierten Einstufung von Koronarstenosen und der Erhöhung des Anteils kontrastmittelfreier MRT-Untersuchungen. Dies wird unterstützt durch digitale, strukturierte Befundvorlagen, regelmäßige interdisziplinäre Fallkonferenzen und interne Audits. Das ZKVB arbeitet zudem eng mit dem Photon-Counting-CT-Konsortium Baden-Württemberg (PC3) und dem Forschungscampus M2OLIE zusammen.
Das Zentrum wird gemeinsam von der Kardiologie und der Radiologie geführt, unter der Leitung von Frau Prof. Dr. med. Theano Papavassiliu, Oberärztin Kardiologie (I. Medizinische Klink), Leitung kardiale MRT, Frau PD Dr. med. Isabelle Ayx, Fachärztin Radiologie, wissenschaftliche Leitung Bereich Radiologie, und Herrn Dr. med. Thomas German, Oberarzt Radiologie, klinische Leitung Bereich Radiologie.
Das ZKVB hat mit der seit mehreren Jahren bestehenden ISO-Zertifizierung eine besondere Rolle in der UMM. Welche Vorteile bieten sich hierdurch für unsere Patienten?
A: Die ISO-Zertifizierung des ZKVB bietet unseren Patienten zahlreiche Vorteile. Durch die enge Zusammenarbeit eines interdisziplinären Teams aus Radiologie und Kardiologie können wir eine besonders präzise und umfassende Diagnostik gewährleisten. Ein hohes Maß an Qualitätssicherung sorgt dafür, dass alle Untersuchungen mit höchster Genauigkeit und Sicherheit durchgeführt werden.
Die strukturierte und standardisierte Befundung wird durch die Entwicklung dezidierter Befundungstemplates ermöglicht, die sich an den neuesten Leitlinien orientieren. Dabei teilen wir alle Cardio-CT-Befunde nach dem CAD RADS 2.1-System ein, was eine klare und einheitliche Klassifikation der Befunde ermöglicht. Diese systematische Herangehensweise führt zu konkreten Handlungsempfehlungen, die wir eng mit unseren kardiologischen Kollegen und Kolleginnen abstimmen. So können wir unseren Patienten eine personalisierte Therapie sowie individuell abgestimmte Kontrollempfehlungen anbieten.
Darüber hinaus fördert die ISO-Zertifizierung die stetige Weiterentwicklung von Untersuchungstechniken und Datenanalysen, um stets auf dem neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft zu bleiben und den Patienten die bestmögliche Versorgung zu bieten. Ein weiteres Plus ist unser Ausbildungskonzept für ärztliche und technische Mitarbeiter, das kontinuierlich neue Fachkräfte fördert und die Qualität der medizinischen Versorgung aufrechterhält. Zudem ermöglichen regelmäßig stattfindende Jour Fixe (JF)-Veranstaltungen den Austausch von Fachwissen und tragen dazu bei, die klinische Expertise weiter zu vertiefen. Klinische Fallbesprechungen zeigen Optimierungsmöglichkeiten in der technischen Durchführung oder der Befundung sowie organisatorische Schwächen auf und ermöglichen die Aufarbeitung komplexer Fälle.
Ein wichtiges Tool zur Entwicklung des Zentrums war die Festlegung und Umsetzung von klar definierten Qualitätszielen. Welche Elemente waren hierbei entscheidend?
G: Ein zentrales Ziel war es, durch kontinuierliche Qualitätssicherung und den Einsatz modernster Technologien, wie dem Photon-Counting-CT, die Sicherheit der Patienten zu maximieren. Dies beinhaltet auch die präzise und zuverlässige Diagnostik, die dazu beiträgt, Fehldiagnosen zu vermeiden und den Patienten bestmöglich zu versorgen. Durch die enge Verzahnung zwischen der Kardiologie und der Radiologie werden Patientensicherheit, Diagnostik und Therapieempfehlungen weiter optimiert.
Durch die Einführung innovativer, strahlenschonender Techniken konnten wir die Strahlenbelastung für die Patienten deutlich reduzieren, ohne die Qualität der Bildgebung zu beeinträchtigen. Des Weiteren konnten erste statistische Auswertungen bereits eine hohe Patienten- und Zuweiserzufriedenheit zeigen, die durch das einzigartige Konzept des ZKVB ermöglicht wird. Jedoch haben die klar definierten Qualitätsziele auch maßgeblich unsere kardiale MRT-Bildgebung beeinflusst.
Inwiefern profitieren Patienten mit kardialer MRT direkt von der Umsetzung der Ziele?
P: Patienten profitieren direkt von der Umsetzung der Qualitätsziele im Bereich der kardialen MRT in mehrfacher Hinsicht: Die Anwendung nativer MRT-Protokolle und somit der Verzicht auf Kontrastmittel, wo es sinnvoll und diagnostisch vertretbar ist, sorgt für eine geringere Belastung der Patienten, da kein Kontrastmittel in den Körper eingebracht wird. Dies minimiert das Risiko von möglichen Nebenwirkungen und verbessert die Sicherheit der Untersuchung, insbesondere bei Patienten mit Kontrastmittelallergien, eingeschränkter Nierenfunktion oder notwendigen wiederholten Kontrolluntersuchungen.
Abbildung 1: Interdisziplinäres Team des ZKVB; von links: Prof. Dr. Theano Papavassiliu (Kardiologie), PD Dr. Isabelle Ayx (Radiologie), Prof. Dr. Daniel Dürschmied (Klinikdirektor Kardiologie), Dr. Kateryna Sopova (Kardiologie), Dr. Thomas Germann (Radiologie) |
Zudem konnten im ZKVB dezidierte Untersuchungsprotokolle entwickelt werden, die eine kürzere Untersuchungszeit ermöglichen. Die Untersuchungszeit konnte je nach Indikation um 9-20 Minuten verkürzt werden. Darunter konnte ein unmittelbarer positiver Effekt auf die Bildqualität beobachtet werden, da die Patienten besser die für das Kardio-MRT erforderlichen Atemkommandos befolgen konnten. Eine kürzere Untersuchungszeit bedeutet für die Patienten eine schnellere und weniger belastende Erfahrung. Dies reduziert nicht nur die körperliche und psychische Belastung während der Untersuchung, sondern trägt auch zu einer besseren Planbarkeit des Krankenhausaufenthalts bei. Besonders für Patienten, die mobilitätseingeschränkt oder in einem kritischen Zustand sind, ist eine verkürzte Untersuchungszeit von großem Vorteil. Zudem steigert die Effizienz die Kapazität für mehr Patienten und reduziert Wartezeiten.
Diese Maßnahmen erhöhen somit nicht nur den Komfort der Patienten, sondern verbessern auch die Qualität der medizinischen Versorgung und tragen zur Sicherstellung einer sicheren, effizienten und präzisen Diagnose bei.
Es wurde vorab kurz auf Qualifizierungsmöglichkeiten und Ausbildungsmöglichkeiten des ZKVB eingegangen. Könnten Sie dies weiter erläutern?
G: Im ZKVB fördern wir die Weiterbildung unserer Fachkräfte durch gezielte Programme. Assistenzärzte und Fachärzte erhalten kontinuierliche Weiterbildung durch Kurse der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG) sowie supervidierte Befunderstellungen, die in nationalen Zertifizierungsprüfungen münden. Unsere MTRs (Medizinische Technologen für Radiologie) werden speziell in der kardiovaskulären Diagnostik ausgebildet. Wir bieten im Rahmen der Ausbildung an der UMM-Akademie das erste Modul der von Fachgesellschaften (DGMTR [Deutsche Gesellschaft für MTRs] und DRG [Deutsche Röntgengesellschaft]) zertifizierten Zusatzqualifikation Fachkraft für kardiovaskuläre Bildgebung an, um das Wissen im Bereich der kardiologischen Bildgebung bereits in der Ausbildung zu vertiefen. Diese Maßnahmen sichern eine hochwertige und aktuelle Ausbildung, die direkt in die Patientenversorgung einfließt.
P: Zudem bieten wir internationale Fellowship-Programme an, die speziell für Ärzte und Ärztinnen sowie Forscher und Forscherinnen aus anderen Kliniken und Ländern konzipiert sind. Diese Programme bieten eine einzigartige Gelegenheit, von führenden Experten im Bereich der kardiovaskulären Bildgebung zu lernen und fortschrittliche Diagnosetechniken sowie innovative Therapiemethoden zu erlernen. Die Fellows haben die Möglichkeit, an klinischen und wissenschaftlichen Projekten mitzuwirken, ihre Kenntnisse auf internationalem Niveau zu vertiefen und wertvolle Erfahrungen in einer hochspezialisierten Umgebung zu sammeln. Diese Fellowship-Programme tragen nicht nur zur persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung der Teilnehmer bei, sondern stärken auch die internationale Sichtbarkeit des Zentrums, indem sie den Austausch von Wissen und Erfahrungen über Grenzen hinweg fördern.
Die personalisierte Medizin wird immer wichtiger. Bestehen im ZKVB Möglichkeiten, die die aktuellen Entwicklungen mit Big Data und KI-Tools berücksichtigen?
A: Die personalisierte Medizin im ZKVB setzt auf innovative Technologien wie CT-FFR (Fraktionelle Flussreserve), Plaqueanalyse, KI und Radiomics, um eine individualisierte Auswertung der kardiovaskulären Gesundheit zu ermöglichen. Mit diesen Methoden können wir präzise Informationen über den Zustand der Koronararterien und das individuelle Risiko eines Patienten gewinnen. Diese Technologien ermöglichen eine personalisierte Risikostratifizierung und eine maßgeschneiderte Therapieplanung, die auf den spezifischen Bedürfnissen jedes Patienten basiert. Unabhängig von den fortschrittlichen Technologien der personalisierten Medizin erhält jeder Patient bei uns maßgeschneiderte Untersuchungsprotokolle. Abhängig von seiner persönlichen Risikokonstellation und seiner Herzfrequenz werden dezidierte CT-Untersuchungsprotokolle festgelegt. Zudem passen wir die MRT-Protokolle individuell an die jeweilige klinische Fragestellung an. So gewährleisten wir, dass jede Bildgebung exakt auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmt ist, um eine präzise und effektive Diagnostik zu ermöglichen.
Wie schätzen Sie die zukünftigen Entwicklungen und die Auswirkungen auf das ZKVB in Anbetracht der aktuellen GBA- und EBM-Beschlüsse ein?
A/G/P: Zum 01.01.2025 ist die kardiale Computertomografie von den gesetzlichen Krankenkassen als Kassenleistung anerkannt worden. Aus diesem Grund erwarten wir eine steigende Zahl an Zuweisungen, da immer mehr Patienten von dieser präzisen und nicht invasiven Diagnosetechnologie profitieren wollen. Allerdings wird die Frage der Zuweiserstruktur und der Indikationsstellung zunehmend wichtiger. Es wird erforderlich sein, dass Zuweiser eine fundierte Entscheidung über die Notwendigkeit eines Cardio-CT treffen, wobei eine präzise Prüfung der Vortestwahrscheinlichkeit notwendig wird, um die medizinische Indikation korrekt zu bestimmen. Diese Entwicklung sollte zu einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen Kardiologen und Radiologen führen, um sicherzustellen, dass nur die Patienten, die tatsächlich von der Untersuchung profitieren, zugewiesen werden. In diesem Zusammenhang sind eine klare Kommunikation und standardisierte Richtlinien anhand neuster Leitlinien zur Indikationsstellung von entscheidender Bedeutung, um die Effizienz und Qualität der Bildgebung zu sichern und gleichzeitig unnötige Untersuchungen zu vermeiden.
Welche Projekte oder Verbesserungen wollen Sie in den nächsten Jahren erreichen?
A/G/P: In der kardialen CT-Diagnostik arbeiten wir derzeit an der klinischen Einführung der CT-FFR. Bisher können wir diese Technik nur wenigen Patienten anbieten. Organisatorisch möchten wir das Zentrum personell weiterentwickeln, indem wir zusätzliche Ressourcen zur Verfügung stellen und beispielsweise die Zusatzqualifikation zur kardiovaskulären Fachkraft für zusätzliche interessierte MTRs ermöglichen. Die Zusammenarbeit mit unseren Zuweisern wird im Hinblick auf die Anerkennung der Coronar-CT als Kassenleistung und basierend auf Zuweiserfeedback weiter optimiert werden. Durch diese Zusammenarbeit mit niedergelassenen Kollegen, die Ausbildung im ärztlichen und nicht ärztlichen Bereich und unsere ständige Optimierung hinsichtlich Diagnostik, Technik und Struktur wollen wir die Patientenversorgung immer weiter verbessern und unsere Expertise auch externen Kollegen zur Verfügung stellen.