Im Jahr 2019 wurde das DKFZ-Hector-Krebsinstitut als Brücke zwischen dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und der Universitätsmedizin Mannheim gegründet, getragen durch die Hector-Stiftung II. Ziel ist es, Grundlagenforschung in der Krebsmedizin mit modernster klinischer Versorgung zu verbinden und neue Themenfelder im Bereich der translationalen Krebsforschung zu etablieren. Ein wichtiger Schwerpunkt ist die Präzisionsdiagnostik mit molekularer Bildgebung, für die 2023 die klinische Kooperationseinheit Translationale Molekulare Bildgebung im Onkologischen Therapiemonitoring (KKE) unter der Leitung von Frau PD Dr. med. Freba Grawe, Fachärztin für Nuklearmedizin, erfolgreich etabliert wurde. Herr Prof. Dr. rer. nat. Björn Wängler ist seit 2011 Lehrstuhlinhaber für Molekulare Bildgebung mit Schwerpunkt Radiochemie und Leiter der gleichnamigen Arbeitsgruppe an der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin. Sein Team von mehr als zehn Forscher:innen entwickelt neue Targetstrukturen für molekulare Tracer. Unter seiner Leitung wurde das Bruker-Zentrum für präklinische Bildgebung etabliert, das In-vivo-Versuche zur Effektivität von Tracern in verschiedenen Krankheitsmodellen ermöglicht. Zudem leitet er das Team der Radiopharmazie und ist somit entscheidend für die GMP-konforme Implementierung neuer Tracer. Herr Prof. Dr. med. Stefan Schönberg, Direktor der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin der Universitätsmedizin Mannheim, im Gespräch mit Frau PD Dr. med. Freba Grawe und Herrn Prof. Dr. rer. nat. Björn Wängler.
Die KKE Molekulare Bildgebung wurde gegründet, um innovative Ziele im Bereich der translationalen Krebsforschung zu unterstützen. Welche sind das im Besonderen?
G: Das Ziel der KKE ist die Entwicklung neuer Radiotracer für die Bildgebung mittels Positronen-Emissions-Tomografie (PET), neben der etablierten Routinediagnostik in der Nuklearmedizin. Dies beinhaltet die Identifikation von Zielmolekülen, die klinisch relevant sind. Der zentrale Aspekt der KKE ist die enge Verknüpfung von präklinischer Grundlagenforschung mit der Klinik, d. h. Nuklearmedizin, Onkologie und anderen Fachdisziplinen. Daraus resultiert die Entwicklung von Radiotracern, die Antworten auf offene klinische Fragestellungen liefern sollen.
Welche Bedeutung hat im Kontext der Präzisionsdiagnostik die Entwicklung innovativer, maßgeschneiderter Radiotracer?
W: Die Entwicklung neuer, innovativer Radiotracer ist der Schlüssel für eine moderne, personalisierte und interindividuell angepasste Medizin. Wir haben präklinisch bereits wichtige Fortschritte erzielt, und durch das DKFZ-Hector-Krebsinstitut und die Berufung von Frau PD Dr. Grawe ist es trotz beträchtlicher regulatorischer Hürden gelungen, die Translation in den klinischen Bereich durchzuführen. Diese modernen Tracer ermöglichen es uns, teure Therapien besser zu monitoren, das Ansprechen zu visualisieren und prädiktiv zu bestimmen, ob eine spezifische Therapie für einen Patienten überhaupt geeignet ist.
Welche besonderen Möglichkeiten ergeben sich aus diesem genannten Schulterschluss zwischen Nuklearmedizin, Radiopharmazie und Radiochemie im Kontext der Theranostik?
G: Wir befinden uns in der onkologischen
Präzisionsmedizin in einer sehr dynamischen Phase, mit fast täglich neuen Therapieansätzen. Diese müssen adäquat überwacht und ihr Ansprechen vorhergesagt bzw. frühzeitig erkannt werden, falls eine Therapie nicht erfolgreich ist. Durch den engen Schulterschluss können wir auf diese Innovationen schnell reagieren. Wir haben die komplette Kette von der Präklinik bis zum Patienten vor Ort und wieder zurück in die präklinische Forschung etabliert, um die Entwicklung und Translation neuer Ansätze signifikant zu beschleunigen. Zudem ermöglicht uns die enge Zusammenarbeit mit anderen exzellenten Institutionen am Standort sowohl Ressourcen als auch Know-how optimal zu nutzen und in unsere Forschung einfließen zu lassen.
Die molekulare Bildgebung ist in der onkologischen Präzisionstherapie unverzichtbar. Welche anderen dynamischen Felder stehen aktuell im Fokus der Radiochemie und Radiopharmazie?
W: Neben der Onkologie stehen aktuell neurodegenerative Erkrankungen wie beispielsweise die Alzheimer-Krankheit stark im Fokus, insbesondere im Hinblick auf die therapeutischen Fortschritte der letzten Jahre, beispielsweise bei Antikörpertherapien. Hier ist ein entsprechendes Monitoring des Therapieansprechens essenziell. Es gibt bereits einige vielversprechende Radiotracer in fortgeschrittenen Studien in Phase II oder III bzw. Tracer, die schon zugelassen sind. Ein weiteres wichtiges Feld ist die Suchtforschung, in der wir in Mannheim durch die Kooperation mit dem Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI), insbesondere mit der Arbeitsgruppe Molekulares Neuroimaging unter Leitung von Herrn Prof. Dr. Gerhard Gründer, ein großes Potenzial sehen. Hier laufen bereits gemeinsame Forschungsprojekte zur Entwicklung neuer Radiotracer, beispielsweise für das serotonerge System.
Zwischen dem DKFZ-Hector-Krebsinstitut und dem in Kooperation mit dem Zentralinstitut für Seelische Gesundheit betriebenen PET/MRT bestehen weitere Synergien. Welche klinischen Anwendungen onkologischer und neuropsychiatrischer Bildgebung im Umfeld der Universitätsmedizin Mannheim ergeben sich hieraus?
G: Hier ergeben sich extrem wichtige Synergien, die lange Zeit vernachlässigt wurden. Glücklicherweise wurden diese durch neue Gruppen und Berufungen sowohl am DKFZ als auch am ZI prominenter platziert. Onkologische Patienten befinden sich nach der Therapie oft in einer langen Nachsorge, die mit erheblichen psychischen Belastungen einhergehen kann. Durch die Nähe zum ZI werden wir nun sehr eng mit den Neurowissenschaftlern in der Resilienzforschung zusammenarbeiten, um diese psychischen Belastungen zusätzlich zur onkologischen Nachsorge in einem ganzheitlichen Ansatz mittels Ganzkörper-PET/MRT-Bildgebung zu untersuchen und prädiktive Biomarker für Resilienz zu identifizieren.