Achtung aufgepasst: Recht und Compliance

Dr. med. Dipl. – Jur. Niklas von Münchhausen
Dr. med. Dipl. – Jur. Niklas von Münchhausen

Leiter des Geschäftsfeldes Compliance, Datenschutz und medizinische Gutachten

Dr. med. Anja Weidner
Dr. med. Anja Weidner

Leiterin des Geschäftsfeldes Qualitätsmanagement und Datenschutz und medizinische Leitung Teleradiologie

An einem großen Universitätsklinikum mit mehr als 100.000 radiologischen und nuklearmedizinischen Untersuchungen pro Jahr, mit einem Spektrum von komplexen diagnostischen und interventionellen Verfahren bis hin zum großen Bereich der Notfalldiagnostik ist die Beachtung der oftmals komplexen regulatorischen Anforderungen von besonderer Bedeutung. Dabei bezeichnet der Begriff Compliance u. a. die Einhaltung sämtlicher rechtlicher Vorgaben aber auch interner Richtlinien. Die Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin hat hier mit dem Geschäftsfeld Compliance, Datenschutz und medizinische Gutachten, das von Herrn Dr. von Münchhausen geleitet wird, besondere Strukturen geschaffen. Integriert ist das Zentrum für interdisziplinäre Gutachten (ZIG). Herr Dr. von Münchhausen ist sowohl Facharzt für Radiologie als auch Jurist und widmet sich, neben seiner klinischen Tätigkeit, dem Spannungsfeld aus Radiologie und Recht. Dabei besteht ein enger Austausch mit der Stabsstelle Recht, Compliance, Vergabe und Versicherung der UMM. Eine enge Verzahnung besteht zudem mit den Themen des Geschäftsfeldes Qualitätssicherung und Datenschutz unter Leitung von Frau Dr. med. Anja Weidner, Oberärztin der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin der UMM.

S: Sie sind Arzt und Jurist, gleichzeitig Funktionsoberarzt unserer Klinik und Leiter des Geschäftsfeldes Compliance, Datenschutz und medizinische Gutachten inklusive des ZIG. Wie sieht ihr Alltag aus?

M: Ich bewege mich tagtäglich im speziellen Aufgabenfeld zwischen Recht und Medizin und habe dadurch eine besondere Perspektive auf rechtliche Problemstellungen, Abläufe und Compliance-Themen. Das deutsche Gesundheitswesen im Allgemeinen und die Disziplinen Radiologie und Nuklearmedizin im Speziellen, sind hochgradig reguliert und ein gutes Beispiel für eine Verrechtlichung von Lebensbereichen.

Es bestehen zahlreiche rechtliche Vorgaben und Normen, deren Einhaltung (Compliance) und Umsetzung regelmäßig überprüft werden müssen, zumal sie einem fortlaufenden Wandel unterworfen sind.

Viele der Vorgaben dienen letztlich der Sicherheit von Patienten und Mitarbeitern, z. B. im Bereich von Hygiene und Strahlenschutz. Andere der Untersuchungs- und Behandlungsqualität oder der Integrität. Als Klinik arbeiten wir z. B. tagtäglich mit sensiblen personenbezogenen Daten, insbesondere Gesundheitsdaten. Schon 1983 wurde vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Volkszählungsurteil das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Menschenwürde entwickelt. Auf EU-Ebene gilt zudem seit 25.5.2018 die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Das zeigt, welch hohe Bedeutung der Datenschutz hat. Als Bereichsdatenschutzbeauftragter der KIRN begleite ich die Umsetzung auf Klinikebene und fungiere als Bindeglied zur entsprechenden Stabsstelle Datenschutz.

Ein Compliance Management System (CMS) beschreibt Richtlinien, Prozesse und Kontrollmechanismen zur Einhaltung gesetzlicher und betriebsinterner Vorgaben. So sollen Risiken minimiert und eine rechtssichere Umgebung geschaffen werden. Relevante Elemente sind Prävention, Detektion und Reaktion, Verstöße werden möglichst vermieden oder frühzeitig erkannt und behoben. Tools zur praktischen Umsetzung des CMS sind beispielsweise Schulungen, Meldesysteme und interne und externe Audits. Ein aktives CMS sorgt für hohe Qualität und Sicherheit, sowohl für Patienten als auch für Mitarbeiter.

Eine Einhaltung all dieser zahlreichen Vorgaben dient letztendlich auch der Reputation des Krankenhauses.

Darüber hinaus bin ich mit Herz und Seele Facharzt für Radiologie und eng in die alltägliche klinische Arbeit eingebunden, wobei mein Schwerpunkt in der Diagnostischen Radiologie mit einem Interessenschwerpunkt in der Schnittbildgebung (CT und MRT) liegt.

Einen weiteren Teil meiner Arbeit stellen der Aufbau und die Etablierung eines Zentrums für medizinische Gutachten dar.

S: Welche Rolle spielen medizinische Gutachten im ärztlichen Aufgabenspektrum?

M: Die Erstellung medizinischer Gutachten ist eine originäre ärztliche Aufgabe, die jedoch in der medizinischen Ausbildung, sowohl im Studium als auch in der fachärztlichen Weiterbildung, oft nur wenig thematisiert wird. Viele Ärzte kommen erst nach ihrer Facharztausbildung damit in Berührung. Es gibt unterschiedliche Auftraggeber für medizinische Gutachten, darunter Gerichte, Versicherungen, der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) und Privatpersonen oder Anwälte. Besonders im Zivilrecht sind Gutachten im Bereich des Behandlungsfehlerrechts und der Arzthaftung relevant. Im Sozialrecht spielen hingegen z. B. Rentengutachten eine Rolle. Juristen können sich zwar in medizinische Fragestellungen oftmals gut eindenken, doch am Ende sind sie auf medizinische Expertise angewiesen. Hier sehen wir uns als wichtigen Partner, damit diese Entscheidungen sowohl medizinisch als auch rechtlich fundiert getroffen werden können. Die Grundlage dafür ist unsere wissenschaftliche Objektivität und Neutralität.

Ein Gutachten ist als systematische, wissenschaftlich fundierte Analyse eines Sachverständigen definiert, beispielsweise zur Beurteilung von Diagnosen oder Behandlungen. Der Gutachter muss objektiv, nachvollziehbar und unabhängig arbeiten. Ein radiologisches Ergänzungsgutachten wird von Gerichten, Versicherungen oder Patienten angefordert, wenn die vom Hauptgutachter zu begutachtende Fragestellung einer ergänzenden Bildgebung bedarf. Dies ist z. B. in den Bereichen der Orthopädie und der Unfallchirurgie häufig der Fall.

S: Inwiefern spielen Ergänzungsgutachten in der radiologischen Begutachtung eine besondere Rolle?

M: Auch Kollegen anderer Fachbereiche treten im Rahmen eigener Gutachten an uns heran. Dies gilt insbesondere für die Bereiche der Unfallchirurgie und der Orthopädie. Gerade im Rahmen dieser Ergänzungsgutachten profitieren wir von unserer exzellenten technischen Ausstattung, wobei hier vor allem das hochmoderne Photon-Counting-CT von Siemens hervorzuheben ist. Darüber hinaus besitzen wir zwei weitere CT-Geräte mit Dual-Energy-Technik. Dies ermöglicht uns die Generierung hochauflösender Bilder und eine optimierte Artefaktreduktion bei Implantaten. Bei diesen Ergänzungsgutachten aus den Bereichen Unfallchirurgie und Orthopädie handelt es sich zum Beispiel um Fragestellungen zur korrekten Positionierung von Prothesen, Rotations- und Achsmessungen, aber auch generell um muskuloskelettale Bildgebung, z. B. im Rahmen von Rentenverfahren. Durch die Bereitstellung dieser hochwertigen Zusatzdiagnostik können wir die Arbeit unserer Kollegen unterstützen. Als überregionales Zentrum bieten wir hier eine besondere Expertise.

S: Junge Kolleginnen und Kollegen stehen am Berufsanfang oft vor der großen Herausforderung, eine Diagnostik auf universitärem Niveau leisten zu müssen bei gleichzeitiger Einhaltung der rechtlichen Vorgaben und Standards. Wie unterstützen Sie sie in Bezug auf Compliance und rechtssichere Abläufe?

M: Ein zentraler Punkt ist die Vermittlung rechtlicher Inhalte in einer verständlichen und praxisnahen Form. Oftmals wirkt das Recht auf den ersten Blick abstrakt und ist schwer greifbar. Wir beginnen bereits frühzeitig in der fachärztlichen Ausbildung mit der Sensibilisierung der jungen Kollegen für medizinrechtliche Themen und regelkonforme Abläufe. Das schafft Sicherheit.

Ein besonderes Augenmerk liegt dabei darauf, Normen und Vorgaben so zu erklären, dass ihr Sinn und ihre Bedeutung für die medizinische Praxis deutlich werden. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Verständnis zu Akzeptanz und letztendlich zur Einhaltung und rechtskonformen Anwendung von Regeln führt. Im Rahmen unserer täglich stattfindenden Frühfortbildungen werden regelmäßig ausgewählte rechtliche Inhalte wie z. B. die „ärztliche Aufklärung“, das „Stellen der rechtfertigenden Indikation bei der Anwendung von Röntgenstrahlen durch den fachkundigen Arzt“ oder der Begriff des „Facharztstandards“ erörtert und Anwendungsbeispiele aus dem Alltag diskutiert.

Ein wichtiger Bestandteil ist zudem die wöchentliche Teilnahme an Qualitätssicherungskonferenzen, in denen wir anhand anonymisierter radiologischer Fallbeispiele praxisnahe Schulungen durchführen und auf typische Probleme hinweisen.

Wir stehen dabei immer im engen Austausch mit der Stabsstelle Recht, Compliance, Versicherung und Vergabe der UMM, die uns bei der Umsetzung und Auslegung von Vorgaben unterstützt.

S: Nachhaltigkeit ist in der Umsetzung von Vorgaben entscheidend. Wie gehen wir hier im Schulterschluss mit dem Geschäftsfeld des Qualitätsmanagements vor?

W: Entscheidend für ein Qualitätsmanagementsystem (QMS) ist, dass wir klare, auf rechtlichen Vorgaben basierende und verschriftlichte Dienstanweisungen und Standard Operating Procedures (SOPs) haben, die allen Mitarbeitenden zugänglich sind. Beginnend bei der Einarbeitung achten wir darauf, dass neue Kollegen wissen, wo sie relevante Dokumente finden und in welchen Situationen diese angewendet werden. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die kontinuierliche Aktualisierung der Dokumente sowie regelmäßige Schulungen und die Betonung der Bedeutung des Qualitätsmanagements anhand praxisnaher Beispiele. Zur Dokumentation und Aktualisierung der Vorgaben verwenden wir ein Dokumentenlenkungssystem, das Vorteile wie strukturierte Freigabeprozesse und klare Rückverfolgbarkeit von Änderungen und Versionen bietet. Wir arbeiten eng mit der integrierten Stabsstelle Qualitäts-, klinisches Risiko- und Beschwerdemanagement zusammen, um ein rechtssicheres Arbeitsumfeld mit transparenten Strukturen zu generieren, das hoch qualitative und sichere Diagnostik ermöglicht. Das Qualitätsmanagement zeigt uns, wie wir das erreichen, das Compliancemanagement stellt die Umsetzung sicher.

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